Freitag, 07.06.2024

Bessere Orientierung nach der OP

AOK und St. Joseph-Stift schließen Delir-Qualitätsvertrag für eine verbesserte Patientenversorgung

Für ältere Menschen sind Operationen oft eine besondere psychische Belastung. Sie sind danach oft tagelang verwirrt, ängstlich, manchmal auch aggressiv und brauchen sehr lange, sich von der OP zu erholen. Um diesem medizinisch als „Delir“ bezeichneten Zustand vorzubeugen, leitet man bereits vor einer Operation präventive Maßnahmen ein.

Deshalb hat die AOK Bremen/Bremerhaven als erste Krankenkasse einen innovativen Qualitätsvertrag für die Versorgung von Bremer Patientinnen und Patienten mit dem St. Joseph-Stift geschlossen und umgesetzt. Seit dem 1. Juni 2024 profitieren Versicherte der AOK Bremen/Bremerhaven davon.

Das Licht an der Decke – hier in Pink - soll Ängste der Patienten lösen, mithilfe anderer Farben aber auch beruhigen oder Schmerz lindern.

Die Anästhesistin Anna Geide prüft mit dem sogenannten „Ananastest“, ob der Delir-Patient nach der OP bestimmte Buchstaben erkennt. Jedes Mal, wenn bestimmte Buchstaben in einem Wort vorkommen, soll er ihre Hand drücken.

„Wir können mit diesem Konzept dafür sorgen, dass sich ältere Patienten, die ein erhöhtes Risiko für solche gravierenden Operations-Nachwirkungen haben, schneller wieder erholen oder dieses Krankheitsbild gar nicht erst erleiden“, betont Olaf Woggan, Vorstandsvorsitzender der AOK Bremen/Bremerhaven. Denn Verwirrtheit und Desorientierung verzögern nach seinen Worten nicht nur die Genesung im Krankenhaus, sondern können später auch erhebliche Probleme im Alltag verursachen – und nicht selten in die Pflegebedürftigkeit führen. Mit dem innovativen Delir-Management lässt sich das weitgehend vermeiden, ist er überzeugt. Unter etwa 4.000 AOK-Versicherten, die im Schnitt pro Jahr im St. Joseph-Stift operiert werden, könnten über 500 Patienten von dem neuen Konzept profitieren.

Auch der Geschäftsführer der Schwachhauser Klinik, Torsten Jarchow, ist von dem Konzept überzeugt: „Wir können die Delir-Rate nachweislich um 30 bis 40 Prozent senken, wenn wir nichtmedikamentöse Maßnahmen wie unser Delir-Screening und das darauf abgestimmten Delir-Management umsetzen. Das bedeutet eine immense Steigerung der Lebensqualität der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten.“

Als erstes Klinikum im Lande Bremen hat das Krankenhaus St. Joseph-Stift ein festes Risiko-Screening vor der Operation eingeführt. So kann man diejenigen ausmachen, die ein hohes Potential für den Verwirrtheitszustand haben. Das betrifft vor allem Patienten, die über 65 Jahre alt sind. Direkt nach der Operation kommen diese in einen von drei speziellen Räumen auf der Intensivstation. Hier wurden extra Deckenlampen installiert, die einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus erzeugen. Um 6.30 Uhr wird es hier hell, um 21.30 Uhr dunkel – trotz der notwendigen Geräte zur Intensivpflege.
Die Leuchten können durch Farbtöne besondere Stimmungen erzeugen: Blau beispielsweise wirkt beruhigend, Grün lindert Schmerzen – während Gelb die Patienten eher aktiviert. In Blickrichtung der Operierten tickt eine Uhr mit Uhrzeiger – außerdem werden dort auch der Wochentag und die Tageszeit wie Vor- oder Nachmittag angezeigt.

„Das hilft den Patienten, sich sofort nach dem Aufwachen wieder zu orientieren“, betont Rebecca Aleff, die ausschließlich als Delir-Begleiterin im St. Joseph-Stift arbeitet. Sie und ihre Kollegin Julia Kübler betreuen diese Patienten schon vor der Operation – und sind auch danach für sie da. Die damit schon vertraute Ansprechpartnerin ist ein weiterer Anker, sich nach der Narkose schnell wieder zurechtzufinden. Durch frühzeitige Mobilisation aus dem Bett oder auch das Angebot von Aromatherapie wird die Aufmerksamkeit und Wachheit der Betroffenen weiter gesteigert. Nicht zuletzt nutzen die Delir-Begleiterinnen auch das Einspielen von bestimmten Geräuschen am Bett – was viele Patienten beruhigt und ihre Heilung fördert.

Schon vor der Operation wird bei den Risiko-Patienten außerdem genau geprüft, ob sie bestimmte Medikamente einnehmen, die einen Delir auslösen könnten. Darunter fallen zum Beispiel bestimmte Schlafmittel, aber auch Medikamente gegen Übelkeit. Nicht zuletzt setzt die Klinik dieses Delir-Konzept auch bei Patienten ein, die nach einem Langzeitkoma von der maschinellen Beatmung entwöhnt werden müssen.

„Wir sind stolz darauf, dass die AOK Bremen/Bremerhaven unserer Behandlungsqualität und dem Delir-Konzept das Vertrauen schenkt und dies mit dem Vertragsabschluss auch langfristig zusichert“, freut sich Jarchow.

Hintergrundinformation Qualitätsverträge
Kliniken und Krankenkassen können miteinander zeitlich befristete Qualitätsverträge schließen. Damit soll erprobt werden, ob sich die Qualität stationärer Behandlungsleistungen über Anreizsysteme zur Einhaltung besonderer Qualitätsanforderungen weiter verbessern lässt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat bislang acht Leistungsbereiche, die sich für den Abschluss solcher Qualitätsverträge und eine anschließende Evaluation eignen, festgelegt. Neben der Prävention des postoperativen Delirs von älteren Patientinnen und Patienten sind dies zum Beispiel Endoprothetische Gelenkversorgung oder die Diagnostik, Therapie und Prävention von Mangelernährung.
Weitere Informationen finden sich unter
https://www.g-ba.de/themen/qualitaetssicherung/weiterebereiche/leistungsbereiche-qualitaetsvertraege/

Pressekontakt und Information
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